Alle inkompetent, außer mir

Alle inkompetent, außer mir

In der modernen Arbeitswelt sehen sich Führungskräfte immer häufiger mit dem Phänomen konfrontiert, dass Mitarbeiter, und gelegentlich auch sie selbst, ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen überschätzen. Dieser psychologische Mechanismus hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Leistung von Teams und die Führungskultur in Unternehmen. Ein zentrales Konzept, das zur Erklärung dieses Phänomens herangezogen wird, ist der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt.

Der Dunning-Kruger-Effekt, benannt nach den Psychologen David Dunning und Justin Kruger, beschreibt eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen mit geringer Kompetenz ihre Fähigkeiten systematisch überschätzen, während hochkompetente Menschen dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen. Dies führt dazu, dass weniger fähige Individuen oft nicht in der Lage sind, ihre eigenen Fehler zu erkennen, da ihnen das nötige Wissen fehlt, um ihre Inkompetenz zu beurteilen.
Dunning und Kruger führten eine Reihe von Experimenten durch, bei denen sie Probanden in Bereichen wie Logik, Grammatik und Humor testeten. Die Ergebnisse zeigten, dass die am
wenigsten qualifizierten Teilnehmer regelmäßig ihre eigenen Leistungen stark überschätzten, während die kompetenteren Teilnehmer eher zu einer realistischen Einschätzung ihrer Fähigkeiten neigten. Dies liegt daran, dass Menschen mit weniger Wissen oft nicht genug Einsicht besitzen, um die Komplexität eines Problems oder einer Aufgabe zu erfassen.

Relevanz des Effekts im Unternehmenskontext

Für Führungskräfte und HR-Manager ist der Dunning-Kruger-Effekt besonders relevant, da er das Potenzial hat, in Organisationen erhebliche Schäden zu verursachen. Mitarbeiter, die ihre Kompetenzen überschätzen, treffen oft Fehlentscheidungen, was zu ineffizienten Arbeitsprozessen und schlechter Leistung führen kann.

Eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte besteht darin, diese Dynamiken frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Es kann besonders schwierig sein,
solche Mitarbeiter zu coachen, da sie sich oft gegen Korrekturen und Feedback sträuben. Ein falsches Selbstbild kann zudem dazu führen, dass diese Mitarbeiter für höhere Positionen ungeeignet sind, obwohl sie dies selbst nicht erkennen.

Der Fall Donald Trump

Während der Dunning-Kruger-Effekt in wissenschaftlichen Untersuchungen vorwiegend in kontrollierten Umgebungen wie Laboren untersucht wurde, gibt es auch im öffentlichen Leben Beispiele, bei denen dieser Effekt in Erscheinung treten könnte. Ein häufig zitierter Fall ist Donald Trump, dem in den Medien oft vorgeworfen wird, seine Fähigkeiten und sein Wissen stark zu überschätzen und sich selbst als allwissend darzustellen. Besonders in seinen öffentlichen Reden während seiner ersten Amtszeit und im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2024 wurde diese Selbstdarstellung deutlich, bei der er seine Gegner als inkompetent darstellte und seine eigene Großartigkeit betonte.

Obwohl diese Beobachtungen auf die Mechanismen des Dunning-Kruger-Effekts hinweisen könnten, ist es wichtig, politische Figuren nicht ausschließlich durch psychologische Effekte zu bewerten, da viele andere Faktoren, wie Ideologie, Strategie und öffentliche Wahrnehmung, eine Rolle spielen.

Für HR-Manager und Führungskräfte besteht die wichtigste Lektion aus dem Dunning-Kruger-Effekt darin, regelmäßig kritisches Feedback und Selbstreflexion in den beruflichen Alltag zu integrieren. Führungskräfte sollten eine Kultur der Offenheit und des Lernens fördern, in der Fehler nicht nur toleriert, sondern als Chancen zur Verbesserung betrachtet werden.

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Dr Mirko Udovich
Autor Dr. Mirko Udovich
Geschäftsführender Gesellschafter

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